6.1 Absetzbarkeit von sonstigen Vorsorgeaufwendungen bleibt gering
Vor dem Jahr 2005 hatten Pflichtversicherte gegenüber Beamten den steuerlichen Nachteil, dass ihnen für ihre Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung weniger Vorsorgepauschale stand als Beamten. Entsprechend geringer fiel die Möglichkeit zur Minderung von Steuern aus. Das AltEinkG schreibt die Benachteiligung von Pflichtversicherten und Rentnern gegenüber Beamten und Pensionären fort. Es leistet hierdurch Beiträge zur Altersarmut.
Beginnend mit 1.500 Euro im Jahr wurde der Höchstbetrag der absetzbaren sonstigen Vorsorgeaufwendungen im Jahr 2010 auf 1.900 Euro angehoben. Nach der Aufteilung der Vorsorgeaufwendungen im AltEinkG bezieht sich der steuerliche Nachteil bei den sonstigen Vorsorgeaufwendungen nunmehr nur noch auf die Arbeitslosenversicherung. Zwar steht Nicht-Beamten und Beamten der gleiche maximale Betrag absetzbarer sonstiger Vorsorgeaufwendungen zur Verfügung. Allerdings sind Beamte von den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung befreit.
Sonstige Vorsorgeaufwendungen umfassen neben den Beiträgen zu den Pflichtversicherungen (Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung) auch Beiträge zu einer Unfall-, Berufsunfähigkeits- und Risikolebensversicherung. Hierfür konnten im Jahr 2005 höchstens 1.500 Euro geltend gemacht werden. Am Beispiel der Beitragssituation von 2005 soll gezeigt werden, welche Beiträge der Pflichtversicherte aus seinem versteuerten Lohn für diese Versicherungen aufbringen musste. Dabei werden entsprechend der Methode der SVK ausschließlich Pflichtversicherungen berücksichtigt:
Versicherungsdaten für einen Pflichtversicherten im Jahr 2005;
Lohn = Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung = 62.400 Euro |
|||
Versicherung |
Beitragssatz [%] |
Beitragsbe-messungsgrenze [Euro] |
Beitrag des Pflichtversicherten [Euro] |
Arbeitslosenversicherung |
6,5 |
62.400 |
2.028 |
Krankenversicherung |
13,7 |
42.300 |
2.904 |
Pflegeversicherung |
1,7 |
42.300 |
360 |
Summe |
5.292 |
In der nachfolgenden Tabelle wird ermittelt, welchen Anteil jede Pflichtversicherung an der Gesamtsumme der Versicherungen hat. Der errechnete Prozentsatz wird auf den Höchstbetrag der absetzbaren sonstigen Vorsorgeaufwendungen (1.500 Euro) aufgeteilt. Auch hier wird die Methode der SVK angewandt:
Anteil der Pflichtversicherungen an ihrer Summe im Jahr 2005;
alle Werte in Prozent und gerundet |
||
Versicherung |
Anteil der Versicherung an Summe Versicherungen [%] |
Anteil der Versicherung an 1.500 Euro |
Arbeitslosenversicherung |
38,2 |
573 |
Krankenversicherung |
54,9 |
824 |
Pflegeversicherung |
6,8 |
102 |
Es entfallen also 573 Euro der absetzbaren 1.500 Euro auf die Arbeitslosenversicherung. Da Beamte von Beitragszahlungen zur Arbeitslosenversicherung befreit sind, steht ihnen der volle daher ein Betrag von 1.500 Euro zur Geltendmachung ihrer Kranken- und Pflegeversicherung zur Verfügung. Diese Tatsache galt auch vor dem AltEinkG und ist mit dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 unvereinbar.
Dieser steuerliche Nachteil von 573 Euro wird dem Pflichtversicherten nie erstattet. Zur Ermittlung des tatsächlichen finanziellen Nachteils ist dieser Betrag zu verzinsen. Hier bietet sich als Zinssatz wieder die Umlaufrendite inländischer Schuldverschreibungen an. Im Jahr 2005 betrug diese 3,1 Prozent. Für den verzinsten Nachteil bei den sonstigen Vorsorgeaufwendungen ergibt sich am Ende des Jahres 2005 ein Betrag von 593 Euro. In einer 45jährigen Erwerbsphase, wie von der SVK unterstellt, entsteht den Pflichtversicherten ein ganz erheblicher steuerlicher Nachteil.
Der Maximalbetrag von 1.500 Euro ist übrigens für das Jahr 2010 auf 1.900 Euro angehoben worden – auch für Beamte und Pensionäre. Die jährlichen Nachteile von Pflichtversicherten gegenüber Beamten erhöhen sich dadurch.
Es ist daran zu erinnern, dass die SVK die Pflichtversicherungen der Pflichtversicherten als ein „Gesamtpaket“ betrachtet hat. Dieser Vorgabe kann sich der Pflichtversicherte nicht entziehen. Im Vergleich zu einem Beamten mit ähnlicher Vergütung wird die subjektive Leistungsfähigkeit deutlich vermindert. Dafür müsste der Pflichtversicherte auch eine entsprechende steuerliche Entlastung erhalten.
6.2 Steuerpräferenzen für Zusatzversicherungen und Bevorzugung von Beamten
Ein Argument für die höhere Besteuerung von Renten war, dass Pflichtversicherte ihre Beiträge zur Rentenversicherung nur in geringem Maße aus versteuertem Einkommen finanziert hätten. Vielmehr sei ihnen über einen Steuernachlass, die VSP, ein Teil der Aufwendungen wieder unversteuert zugeflossen.
Eine genaue Analyse zeigt, dass private Zusatzversicherungen gegenüber Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung steuerlich begünstigt werden. So bewirkt etwa eine Zusatzversicherung in Höhe eines Drittels des Rentenversicherungsbeitrags eine Verdoppelung des steuerlich abzugsfähigen Höchstbetrages der Sonderausgaben zur Altersvorsorge.
Wenn Pflichtversicherte außer ihren Pflichtbeiträgen zur Rentenversicherung keine Zusatzversicherung abschließen, sind sie gegenüber Beamten bereits steuerlich benachteiligt. Noch größer fällt die Benachteiligung aus, wenn Pflichtversicherte zusätzlich zu ihrem Beitrag zur Rentenversicherung auch noch Beiträge für Zusatzversicherungen aufbringen. Denn Pflichtversicherte müssen für denselben Betrag einer Zusatzversicherung einen weit höheren Aufwand aus versteuertem Einkommen betreiben als Beamte.
Alles in allem benachteiligt das AltEinkG also Pflichtversicherte grundsätzlich gegenüber Beamten – mit oder ohne Zusatzversicherung zur Altersvorsorge.
Das heißt, durch das System der Zusatzversicherungen bewirkt der Gesetzgeber steuerlich-finanzielle Benachteiligungen von Pflichtversicherten und langfristig deren Altersarmut.
Tabellarische Analyse mit Erläuterungen:
Pflichtversicherte können ihre Sonderausgaben für die Altersvorsorge nach dem AltEinkG zunehmend von der Steuer absetzen. Sie können ihre Rentenversicherungsbeiträge und Beiträge für bestimmte Zusatzversicherungen (z. B. zur Riester-Rente) steuerlich geltend machen. Als Einstieg in die Analyse der Situation werden drei Fälle unterschieden:
Fallsituationen für Pflichtversicherte im Jahr 2005 | |||
Fall |
Rentenversicherungs- beiträge |
Zusatzbeiträge |
Summe der Beiträge |
Fall a) | kleiner 20.000 Euro |
gleich null |
kleiner als 20.000 Euro |
Fall b) | kleiner 20.000 Euro |
größer null |
kleiner als 20.000 Euro |
Fall c) | kleiner 20.000 Euro |
größer null |
größer als 20.000 Euro |
Der Fall, dass die Rentenversicherungsbeiträge allein im Jahr 2005 mehr als 20.000 Euro betragen, ist nicht möglich. Die Fälle a), b) und c) werden für ledige Pflichtversicherte im Jahr 2005 mit einem Lohn an der Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung in der nachfolgenden Tabelle genauer analysiert.
In der nachfolgenden Tabelle werden die drei Fallvarianten für ledige Pflichtversicherte mit einem Lohn an der Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung im Jahr 2005 genauer analysiert:
Sonderausgaben für die Altersvorsorge bei ledigen Pflichtversicherten im Jahr 2005
(Werte in Euro bzw. Prozent) |
|||
Fall |
Fall a) |
Fall b) |
Fall c) |
Basisdaten | |||
Lohn
Beitragssatz zur Rentenversicherung |
62.400 19,5 |
62.400 19,5 |
62.400 19,5 |
Beiträge | |||
Arbeitnehmerbeitrag zur Rentenversicherung
Arbeitgeberbeitrag zur Rentenversicherung Zusatzversicherungen Gesamtbeitrag |
6.084 6.084 0 12.168 |
6.084 6.084 2.028 14.196 |
6.084 6.084 6.084 18.252 |
Höchstbeitrag |
20.000 |
20.000 |
20.000 |
zu berücksichtigende Beiträge |
12.168 |
14.196 |
18.252 |
davon 60 Prozent
abzüglich steuerfreier Arbeitgeberbeitrag steuerlich abzugsfähiger Höchstbetrag der Sonderausgaben zur Altersvorsorge |
7.301 6.084 1.217 |
8.518 6.084 2.434 |
10.951 6.084 4.867 |
Es zeigt sich, dass die absetzbaren Sonderausgaben zur Altersvorsorge um so höher sind, je größer ihr Betrag ist. Die Werte zeigen aber auch, dass private Zusatzversicherungen gegenüber Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung steuerlich begünstigt werden. So bewirkt etwa eine Zusatzversicherung in Höhe eines Drittels des Rentenversicherungsbeitrags eine Verdoppelung des steuerlich abzugsfähigen Höchstbetrages der Sonderausgaben zur Altersvorsorge (Fall b). Eine Zusatzversicherung in Höhe des Rentenversicherungsbeitrags bringt eine Vervierfachung mit sich (Fall c).
Auch Beamte können ihre Sonderausgaben für eine – zusätzliche – Altersvorsorge steuerlich absetzen. Bei ihnen wird allerdings ein fiktiver Beitrag zur Rentenversicherung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterstellt. In der folgenden Tabelle ist die Berechnungsmethode zur Ermittlung der Sonderausgaben für die Altersvorsorge von Beamten aufgeführt.
Sonderausgaben für die Altersvorsorge bei einem ledigen Beamten im Jahr 2005 (Werte in Euro bzw. Prozent) | |
Basisdaten | |
Lohn fiktiver Beitragssatz zur Rentenversicherung |
62.400 19,5 |
Beiträge | |
Gesamtbetrag der Zusatzversicherungen |
6.084 |
Höchstbeitrag |
20.000 |
abzüglich fiktiver Arbeitnehmerbeitrag zur Rentenvers. abzüglich fiktiver Arbeitgeberbeitrag zur Rentenvers. verbleibender Höchstbetrag |
6.084 6.084 7.832 |
zu berücksichtigende Beiträge |
6.084 |
davon 60 Prozent
steuerlich abzugsfähiger Höchstbetrag der Sonderausgaben zur Altersvorsorge |
3.650 3.650 |
Die Berechnung der absetzbaren Sonderausgaben zur Altersvorsorge für Beamte ist relativ einfach. Im beschriebenen Fall wendet dieser für Zusatzversicherungen einen gleich hohen Betrag auf wie ein Pflichtversicherter für seine Rentenversicherung: 6.084 Euro. Er erhält als absetzbare Sonderausgaben einen Betrag von 3.650 Euro. Dieser Betrag entspricht genau der Zunahme der abzugsfähigen Sonderausgaben bei einem Pflichtversicherten, der zusätzlich zu seinem Rentenversicherungsbeitrag ebenfalls eine Zusatzversicherung in Höhe von 6.084 Euro abgeschlossen hat: 3.650 Euro (4.867 Euro abzügl. 1.217 Euro ).
Um zu prüfen, ob Pflichtversicherte gegenüber Beamten bezüglich der Absetzbarkeit von Sonderausgaben zur Altersvorsorge benachteiligt werden, wird wieder die Methode der SVK angewandt. Nach diesem Ansatz ist der Beitrag aus versteuertem Einkommen gleich dem Beitrag aus dem versteuerten Lohn abzüglich eines Anteils, den der Pflichtversicherte als Steuerersparnis für diese Aufwendung geltend machen kann.
Nach der folgenden Tabelle entrichtet der Pflichtversicherte einen Rentenversicherungsbeitrag von 6.084 Euro, der Beamte Beiträge für Zusatzversicherungen in Höhe von 2.028 Euro. Obwohl der Pflichtversicherte im Vergleich zu dem Beamte etwa den dreifachen Altersvorsorgebetrag aufbringt, erhalten beide einen gleich hohen Betrag als abzugsfähige Sonderausgaben: 1.217 Euro.
Steuerliche Abzugsfähigkeit von Sonderausgaben zur Altersvorsorge bei einem Pflichtversicherten OHNE Zusatzversicherung und einem Beamten im Jahr 2005
(Werte in Euro bzw. Prozent, teilweise gerundet) |
||
Pflichtversicherter | Beamter | |
Lohn |
62.400 |
62.400 |
realer/fiktiver Beitragssatz zur Rentenversicherung |
19,5 |
19,5 |
eigener Rentenversicherungsbeitrag |
6.084 |
0 |
Zusatzversicherungen |
0 |
2.028 |
Summe der aus dem Lohn erbrachten Sonderausgaben |
6.084 |
2.028 |
steuerlich abzugsfähiger Höchstbetrag der Sonderausgaben zur Altersvorsorge |
1.217 |
1.217 |
steuerlich abzugsfähiger Höchstbetrag der Sonderausgaben zur Altersvorsorge aus versteuertem Einkommen |
4.867 |
811 |
Nach der Methode der SVK entrichtet der Pflichtversicherte 4.867 Euro (6.084 Euro abzügl. 1.217 Euro) aus versteuertem Einkommen. Für den selben Betrag von 1.217 Euro der absetzbaren Sonderausgaben zur Altersvorsorge wendet ein Beamter nur 811 Euro aus versteuertem Einkommen auf ( 2.028 Euro abzügl. 1.217 Euro). Es zeigt sich, dass Pflichtversicherte, wenn sie außer ihren Beiträgen zur Rentenversicherung keine Zusatzversicherung abschließen, sie gegenüber Beamten steuerlich deutlich benachteiligt sind.
Noch größer ist seine Benachteiligung, wenn ein Pflichtversicherter Beiträge für Zusatzversicherungen aufbringt. Die Analyse der steuerlichen Verhältnisse ist allerdings ein wenig komplizierter als im vorherigen Fall. Nach der folgenden Tabelle bringt ein Pflichtversicherter zusätzlich zu seinem Rentenversicherungsbeitrag von 6.084 Euro auch einen Betrag von 2.028 Euro für Zusatzversicherungen auf – denselben Betrag wie ein Beamter.
Steuerliche Abzugsfähigkeit von Sonderausgaben zur Altersvorsorge bei einem Pflichtversicherten MIT Zusatzversicherung und einem Beamten im Jahr 2005;
alle Werte in Euro bzw. Prozent, teilweise gerundet |
||
Pflichtver-sicherter | Beamter | |
Lohn |
62.400 |
62.400 |
Beitragssatz zur Rentenversicherung |
19,5 |
19,5 |
eigener Rentenversicherungsbeitrag |
6.084 |
0 |
Zusatzversicherungen |
2.028 |
2.028 |
Summe der aus dem Lohn erbrachten Sonderausgaben des Arbeitnehmers |
8.112 |
2.028 |
Summe der absetzbaren Sonderausgaben |
2.434 |
1.217 |
Anteil der Rentenversicherung an den absetzbaren Sonderausgaben |
1.825 |
0 |
Anteil der Zusatzversicherungen an den absetzbaren Sonderausgaben |
609 |
1.217 |
Sonderausgaben für die Rentenversicherung aus versteuertem Einkommen nach SVK |
4.259 |
0 |
steuerlich abzugsfähiger Höchstbetrag der Sonderausgaben zur Altersvorsorge für die Zusatzversicherungen aus versteuertem Einkommen |
1.420 |
811 |
In Summe betragen die Altersvorsorgeaufwendungen des Pflichtversicherten also 8.112 Euro. 75 Prozent dieses Gesamtbetrages werden für die Rentenversicherung aufgewendet, 25 Prozent für die Zusatzversicherungen. Die Summe der absetzbaren Sonderausgaben des Pflichtversicherten beträgt 2.434 Euro. Nach der Methode der SVK entfallen hiervon 1.875 Euro (75 Prozent) auf die Rentenversicherung und 609 Euro (25 Prozent) auf die Zusatzversicherungen. Damit entrichtet der Pflichtversicherte für seine Rentenversicherung aus versteuertem Einkommen 4.259 Euro (6.084 Euro abzügl. 1.825 Euro). Für seine Zusatzversicherungen musste er 1.420 Euro (2.027 Euro abzügl. 609 Euro) aus versteuertem Einkommen aufbringen. Der Beamte hatte für den gleichen Betrag der Zusatzversicherungen dagegen nur 811 Euro aufzubringen. Der Pflichtversicherte bringt also für seine Zusatzversicherungen erheblich mehr Mittel aus versteuertem Einkommen auf als der Beamte.
Für den Zeitraum nach 2005 ist die Höhe der steuerlichen Benachteiligung der Pflichtversicherten nicht allgemein gültig anzugeben. Wie dargestellt, hängt diese außer vom Lohn auch von der Höhe der Zusatzversicherungen ab. Es steht aber fest, dass Pflichtversicherte für denselben Betrag einer Zusatzversicherung einen deutlich höheren Aufwand aus versteuertem Einkommen treiben müssen als Beamte.
Ebenso wie Beamte können auch Selbständige ihre Sonderausgaben für eine Altersvorsorge steuerlich absetzen. In der nachfolgenden Tabelle werden für das Jahr 2005 die entsprechenden Daten für einen Selbständigen und zwei Pflichtversicherte aufgeführt.
Sonderausgaben für die Altersvorsorge bei ledigen Selbständigen und Pflichtversicherten im Jahr 2005 (Werte in Euro bzw. Prozent) | |||
Fall |
Selbständiger |
||
Basisdaten | |||
Lohn
Beitragssatz zur Rentenversicherung |
– – |
62.400 19,5 |
62.400 19,5 |
Beiträge | |||
Arbeitnehmerbeitrag zur Rentenversicherung
Arbeitgeberbeitrag zur Rentenversicherung Zusatzversicherungen Gesamtbeitrag |
– – 6.084 6.084 |
6.084 6.084 0 12.168 |
6.084 6.084 4.055 16.223 |
Höchstbeitrag |
20.000 |
20.000 |
20.000 |
zu berücksichtigende Beiträge |
6.084 |
12.168 |
16.223 |
davon 60 Prozent
abzüglich steuerfreier Arbeitgeberbeitrag steuerlich abzugsfähiger Höchstbetrag der Sonderausgaben zur Altersvorsorge |
3.650 – 3.650 |
7.301 6.084 1.217 |
9.734 6.084 3.650 |
Der Selbständige entrichtet 6.084 Euro an Sonderausgaben für die Altersvorsorge. Das führt zu einem abzugsfähigen Höchstbetrag von 3.650 Euro. Der Pflichtversicherte 1 hat den gleichen Betrag an Sonderausgaben wie der Selbständige. Er muss ihn allerdings an die Rentenversicherung entrichten und erhält dafür nur 1.217 Euro als steuerlich abzugsfähigen Höchstbetrag, also ein Drittel des Betrags, den der Selbständige erhält.
Der Pflichtversicherte 2 bringt zusätzlich zu seinem Rentenversicherungsbeitrag von 6.084 Euro auch 4.055 Euro an Zusatzversicherungen auf. In der Summe ergibt dies 10.139 Euro. Erst dieser hohe finanzielle Aufwand führt zum gleich hohen abzugsfähigen Höchstbetrag der Sonderausgaben wie bei dem Selbständigen.
Alles in allem benachteiligt das AltEinkG also Pflichtversicherte grundsätzlich gegenüber Beamten und Selbständigen. Dies gilt unabhängig davon, ob er eine Zusatzversicherung zur Altersvorsorge angeschlossen hat oder nicht.
6.3 Unterschiedlich hohe Beiträge für denselben Rentenanspruch
Wenn Pflichtversicherte Zusatzversicherungen für die Altersvorsorge abschließen, bringen sie bei gleichem Lohn für denselben Rentenanspruch (Entgeltpunkt) unterschiedlich hohe Beiträge aus versteuertem Einkommen auf. Die Renten der Pflichtversicherten werden aber jahrgangsweise („nach Kohorten“) gleich hoch besteuert. Diese gleiche Besteuerung trotz unterschiedlichem Aufwand aus versteuertem Einkommen betrifft vor allem Pflichtversicherte untereinander. Dieser Nachteil stellt eine Verletzung des Gleichheitssatzes dar.
Tabellarische Analyse mit Erläuterungen:
Anders als vor dem Inkrafttreten des AltEinkG entrichten nun Pflichtversicherte mit sehr unterschiedlichen Löhnen einen gleich hohen Rentenversicherungsbeitrag, wenn keine Zusatzversicherungen vorliegen. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Daten für zwei Pflichtversicherte mit unterschiedlichen Löhnen:
Sonderausgaben für die Altersvorsorge aus versteuertem Einkommen bei ledigen Pflichtversicherten im Jahr 2005 (Werte in Euro bzw. Prozent) | ||
Pflichtversicherter |
Pflichtver-sicherter 1 |
Pflichtver- sicherter 2 |
Basisdaten | ||
Lohn
Beitragssatz zur Rentenversicherung |
62.400 19,5 |
15.600 19,5 |
Beiträge | ||
Arbeitnehmerbeitrag zur Rentenversicherung
Arbeitgeberbeitrag zur Rentenversicherung Zusatzversicherungen Gesamtbeitrag |
6.084 6.084 0 12.168 |
1.521 1.521 0 3.042 |
Höchstbeitrag |
20.000 |
20.000 |
zu berücksichtigende Beiträge |
12.168 |
3.042 |
davon 60 Prozent
abzüglich steuerfreier Arbeitgeberbeitrag steuerlich abzugsfähiger Höchstbetrag der Sonderausgaben zur Altersvorsorge |
7.301 6.084 1.217 |
1.825 1.521 304 |
steuerlich abzugsfähiger Höchstbetrag der Sonderausgaben zur Altersvorsorge aus versteuertem Einkommen |
4.867 |
1.217 |
Werte teilweise gerundet. |
Der in einem bestimmten Jahr erworbene Rentenanspruch ausgedrückt in Entgeltpunkten errechnet sich aus dem Verhältnis von Lohn zu Durchschnittslohn in dem betrachteten Jahr. Im Jahr 2005 betrug der Durchschnittslohn aller Pflichtversicherten 29.202 Euro.
Der Pflichtversicherte 1 erhält 2,1368 Entgeltpunkte (62.400 Euro : 29.202 Euro).
Er entrichtet je Entgeltpunkt 2.277 Euro (4.867 Euro : 2,1368) aus versteuertem Einkommen.
Der Pflichtversicherte 2 erhält 0,5342 Entgeltpunkte( 15.600 Euro : 29.202 Euro).
Auch er entrichtet je Entgeltpunkt 2.277 Euro (1.217 Euro : 0,5342) Euro aus versteuertem Einkommen.
Anders liegt die Situation bei zwei Pflichtversicherten mit gleichem Lohn, wenn unterschiedlich hohe Beiträge für Zusatzversicherungen entrichtet wurden:
Sonderausgaben für die Altersvorsorge aus versteuertem Einkommen bei ledigen Pflichtversicherten im Jahr 2005 (Werte in Euro bzw. Prozent) | ||
Pflichtversicherter |
Pflichtver-sicherter 1 |
Pflichtver- sicherter 2 |
Basisdaten | ||
Lohn
Beitragssatz zur Rentenversicherung |
62.400 19,5 |
62.400 19,5 |
Beiträge | ||
Arbeitnehmerbeitrag zur Rentenversicherung
Arbeitgeberbeitrag zur Rentenversicherung Zusatzversicherungen Gesamtbeitrag |
6.084 6.084 0 12.168 |
6.084 6.084 6.084 18.252 |
Höchstbeitrag |
20.000 |
20.000 |
zu berücksichtigende Beiträge |
12.168 |
18.252 |
davon 60 Prozent
abzüglich steuerfreier Arbeitgeberbeitrag steuerlich abzugsfähiger Höchstbetrag der Sonderausgaben zur Altersvorsorge |
7.301 6.084 1.217 |
10.951 6.084 4.867 |
steuerlich abzugsfähiger Höchstbetrag der Sonderausgaben zur Altersvorsorge aus versteuertem Einkommen |
4.867 |
7.301 |
Der Pflichtversicherte 1 hat aus seinem versteuerten Lohn einen Rentenversicherungsbeitrag in Höhe von 6.084 Euro entrichtet. Hiefür hat er allerdings eine Steuervergütung von 1.217 Euro erhalten. Sein Rentenversicherungsbeitrag aus versteuertem Einkommen beträgt demnach 4.867 Euro (6.084 Euro abzügl. 1.217 Euro ).
Der Pflichtversicherte 2 zahlte ebenfalls einen Rentenversicherungsbeitrag von 6.084 Euro. Zusätzlich brachte er Beiträge für Zusatzversicherungen in gleicher Höhe auf. Nach dem Ansatz der SVK entfallen also je 50 Prozent der Steuervergütung von 4.867 Euro auf die Rentenversicherung und auf die Zusatzversicherungen. Damit beträgt der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung aus versteuertem Einkommen für den zweiten Pflichtversicherten 3.650 Euro (6.084 Euro abzügl. 0,5 * 4.867 Euro).
Die erworbenen Entgeltpunkte werden für jedes Kalenderjahr bestimmt. Sie folgen für das jeweilige Jahr aus dem Verhältnis von Lohn zu Durchschnittslohn. Im Jahr 2005 betrug der Durchschnittslohn aller Pflichtversicherten 29.202 Euro. Beide Versicherten erhalten also 2,1368 Entgeltpunkte (62.400 Euro : 29.202 Euro).
Dabei entrichtet der Pflichtversicherte 1 aus versteuertem Einkommen je Entgeltpunkt 2.277 Euro. (4.867 Euro : 2,1368). Demgegenüber entrichtet der Pflichtversicherte 2 je Entgeltpunkt lediglich 1.708 Euro (3.650 Euro : 2,1368).
Diese Analyse zeigt, dass Pflichtversicherte bei gleichem Lohn für denselben Rentenanspruch (den Entgeltpunkt) unterschiedlich hohe Beiträge aus versteuertem Einkommen aufbringen, wenn sie Zusatzversicherungen abgeschlossen haben. Dennoch wird ihre Rente gleich hoch besteuert. Dieser Sachverhalt stellt eine Verletzung des Gleichheitssatzes dar.
6.4 Der fortdauernde Progressionsnachteil
Pflichtversicherte führen ihre Beiträge zur Renten- und zur Arbeitslosenversicherung aus dem besteuerten Lohn ab. Die Beiträge erhöhen somit die Besteuerungsbasis von Pflichtversicherten gegenüber Beamten. Dadurch entsteht aufseiten der Pflichtversicherten ein Progressionsnachteil. Die steuerliche Situation wäre erst dann gleich, wenn Pflichtversicherte all jene Vorsorgebeiträge geltend machen könnten, die Beamten nicht abverlangt werden. Erst dann hätten beide Gruppen eine gleich hohe Besteuerungsbasis.
Nach der Aufteilung der Vorsorgeaufwendungen durch das AltEinkG in Aufwendungen für die Altersvorsorge und sonstige Vorsorgeaufwendungen, muss dieser steuerlich-finanzielle Nachteil für beide Vorsorgearten getrennt betrachtet werden: Die Aufwendungen für die Rentenversicherung sind erst ab 2025 steuerlich vollständig absetzbar. Bis dahin existiert der dadurch verursachte Progressionsnachteil in abnehmender Form weiter. Der steuerliche Nachteil bei den sonstigen Vorsorgeaufwendungen bezieht sich dann noch immer auf die Arbeitslosenversicherung. Die Aufwendungen für diese Versicherung sorgen weiterhin für einen Progressionsnachteil.
Tabellarische Analyse
Im Folgenden wird verdeutlicht, dass Pflichtversicherte gegenüber Beamten einen erheblichen steuerlichen Nachteil erleiden: den Progressionsnachteil.
In der nächsten Tabelle sind für die Jahre 2005 bis 2009 der jeweilige Lohn des Pflichtversicherten an der Beitragsbemessungsgrenze, die Höhe seiner Beiträge zur Renten- und zur Arbeitslosenversicherung sowie die von ihm zu entrichtende Steuer aufgeführt.
Pflichtversicherter mit einem Lohn in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung (Werte in Euro und teilweise gerundet) | ||||
Jahr |
Lohn Pflicht- versicherter |
Rentenversicherungs- beitrag |
Arbeitslosenver- sicherungsbeitrag |
Steuer |
2005 |
62.400 |
6.084 |
2.028 |
17.672 |
2006 |
63.000 |
6.143 |
2.048 |
17.823 |
2007 |
63.000 |
6.269 |
1.323 |
17.699 |
2008 |
63.600 |
6.328 |
1.049 |
17.845 |
2009 |
64.800 |
6.448 |
907 |
18.088 |
Steuer = Summe aus Lohnsteuer plus Solidaritätszuschlag |
In der folgenden Tabelle ist die Steuer eines Beamten aufgeführt. Sein Lohn entspricht dem Lohn eines Pflichtversicherten abzüglich der Summe der Beiträge zur Renten- und zur Arbeitslosenversicherung. Die Tabelle zeigt, dass die Besteuerungsbasis – und damit die Steuer – bei einem Beamten deutlich niedriger ist als bei dem äquivalenten Pflichtversicherten.
Daten für den steueräquivalenten Beamten
(Werte in Euro und teilweise gerundet) |
||
Jahr |
Lohn Beamter |
Steuer |
2005 |
54.288 |
14.617 |
2006 |
54.810 |
14.848 |
2007 |
55.409 |
15.113 |
2008 |
56.222 |
15.473 |
2009 |
57.445 |
15.858 |
Steuer = Summe aus Lohnsteuer plus Solidaritätszuschlag |
Wie die dritte Tabelle zeigt, macht der unverzinste Progressionsnachteil des Pflichtversicherten pro Jahr einige Tausend Euro aus:
Progressionsnachteil des Pflichtversicherten
(Werte in Euro bzw. Prozent, teilweise gerundet) |
|||
Jahr |
Umlaufrendite |
verzinster Progressionsnachteil |
|
2005 |
3.055 |
3,10 |
3.150 |
2006 |
2.975 |
3,80 |
6.358 |
2007 |
2.586 |
4,30 |
9.328 |
2008 |
2.372 |
4,20 |
12.192 |
2009 |
2.230 |
3,20 |
14.884 |
Pflichtversicherte werden bezüglich des Progressionsnachteils durch die Rentenversicherungsbeiträge noch viele Jahre lang benachteiligt. Ein finanzieller Ausgleich erfolgt hierfür nicht. Nach den Regelungen des AltEinkG nimmt der Progressionsnachteil unter sonst gleichen Bedingungen bis zum Jahr 2025 kontinuierlich ab. Ab 2025 können dann zumindest die Rentenversicherungsbeiträge des Pflichtversicherten zu 100 Prozent steuerlich abgesetzt werden. Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bewirken weiterhin einen erheblichen Progressionsnachteil.
6.5 Die Doppelbesteuerung der Rentner ab dem Jahr 2040
Das BVerfG hatte in seiner Entscheidung vom 6. März 2002 in einem Leitsatz eine wesentliche Vorgabe für die Neuregelung der Besteuerung von Renten und Pensionen benannt: Eine Doppelbesteuerung soll ausgeschlossen sein. Was also bereits in der Erwerbsphase der Besteuerung unterlag, darf in der Nacherwerbsphase nicht noch einmal besteuert werden.
Nach der Regelung im AltEinkG wird jedoch erst jene Generation von Pflichtversicherten von einer Doppelbesteuerung ihrer Rentenversicherungsbeiträge ausgenommen sein, die ihre Erwerbstätigkeit ab dem Jahr 2025 beginnt. Anders liegt der Fall bei Pflichtversicherten, die ihren Arbeitsprozess vor 2025 aufgenommen haben und 2040 bzw. später in Rente gehen. Sie können ihre Rentenversicherungsbeiträge erst ab 2025 vollständig von der Steuer absetzen. In der davorliegenden Zeit werden ihre Beiträge teilweise besteuert. Hier liegt eine Doppelbesteuerung vor. Denn den vor 2025 entrichteten Beiträgen stehen keine steuerfreien Rentenzahlungen in der Ruhestandsphase ab 2040 gegenüber.
Das AltEinkG erfüllt in der bestehenden Form also nicht die Vorgabe des BVerfG und ist eindeutig verfassungswidrig. Dass der Gesetzgeber diese Regelung dennoch getroffen hat, lässt sich folgendermaßen erklären: Nach deutschem Recht sind Klagen erst dann möglich, wenn Pflichtversicherte als Rentner tatsächlich von einer Doppelbesteuerung betroffen sind. Das ist allerdings erst 2040 oder später der Fall.
Darstellung der Doppelbesteuerung gemäß AltEinkG am vereinfachten Modell
Schon im Mai 2004 hatte der VDR darauf hingewiesen, dass das Konzept der nachgelagerten Besteuerung in der Ausführung des AltEinkG in Bezug auf die implizite Doppelbesteuerung verfassungswidrig ist:1)N. Brall, Die Neuregelung der Rentenbesteuerung, VDR, Pressekontaktseminar 2004, am 4. und 5. Mai in Wernigerode, S. 9f. Ein Pflichtversicherter, der 45 Jahre arbeitete (1995 bis 2039) und 2040 in den Ruhestand treten werde, könne seine Rentenversicherungsbeiträge erst ab 2025, also in den letzten 15 Jahren des Erwerbslebens, seine Rentenversicherungsbeiträge vollständig von der Steuer absetzen. In der davorliegenden Zeit würden seine Beiträge teilweise besteuert. Als Konsequenz liege eine Doppelbesteuerung vor. Denn den vor 2025 entrichteten Beiträgen stünden keine steuerfreien Rentenzahlungen in der Ruhestandsphase gegenüber.
Ein vereinfachtes Modell soll diese Kritik des VDR verdeutlichen. Dabei werden für den Zeitraum von 2005 bis 2025 lediglich die Beitragszahlungen eines Pflichtversicherten zur Rentenversicherung betrachtet. Zusatzversicherungen bleiben unberücksichtigt:
Im Jahr 2005 können 60 Prozent aller Sonderausgaben abzüglich des Arbeitgeberanteils zur Rentenversicherung steuerlich geltend gemacht werden. Die Sonderausgaben werden lediglich aus der Summe der Rentenversicherungsbeiträge von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gebildet (keine Zusatzversicherungen).
Bezeichnet man den Beitrag des Arbeitnehmers – der gleich dem Beitrag des Arbeitgebers ist – als RV, dann kann der Pflichtversicherte maximal 0,2 RV absetzen (2 RV x 0,6 minus RV). Im Jahr 2005 sind also 20 Prozent des eigenen Beitrags für den Pflichtversicherten absetzbar. Der Pflichtversicherte hat somit 0,8 RV (RV minus 0,2 RV) aus versteuertem Einkommen im Sinne der SVK-Definition aufgebracht.
Im Jahr 2005 betrug die Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung 62.400 Euro und der Beitragssatz 19,5 Prozent. Damit entrichteten in diesem Jahr Arbeitgeber und Arbeitnehmer je 6.084 Euro an Höchstbeitrag zur Rentenversicherung. Der Pflichtversicherte mit einem Lohn an der Beitragsbemessungsgrenze erhielt, wie oben gezeigt, 1.217 Euro (0,2 * 6.084 Euro) als steuerlich abzugsfähigen Höchstbetrag für Sonderausgaben zur Altersvorsorge. Er entrichtete 4.867 Euro (0,8 * 6.084 Euro) = 4.867 Euro, die steuerlich nicht berücksichtigt wurden.
Der für 2005 gültige Prozentsatz von 60 Prozent steigt Jahr für Jahr um 2 Prozent. Folglich kann der Pflichtversicherte im Jahr 2025 seine Sonderausgaben für die Altersvorsorge zu 100 Prozent geltend machen.
Bis zum Jahr 2016 einschließlich sind die exakten Werte für die Umlaufrendite, die Beitragsbemessungsgrenze und der Beitragssatz der Rentenversicherung bekannt. Für den Durchschnittlohn gelten die vorläufigen Werte 34.999 Euro (2015) bzw. 36.267 Euro (2016). Geht man davon aus, dass sich die genannten Werte von 2017 bis 2025 nicht ändern, dann bleiben für den Pflichtversicherten mit einem Lohn an der Beitragsbemessungsgrenze summiert und unverzinst rund 55.000 Euro aus bereits versteuertem Einkommen steuerlich unberücksichtigt. Verzinst man diesen Betrag mit dem Mittelwert der Umlaufrendite inländischer Schuldverschreibungen, dann entsteht dem Pflichtversicherten ein Nachteil von ca. 61.000 Euro. Tritt er im Jahr 2040 oder später in den Ruhestand ein, wird seine Rente vollständig versteuert. Den 61.000 Euro steht somit kein steuerfreier Rentenbetrag gegenüber.
Die Situation ist für den Durchschnittsverdiener nicht grundsätzlich anders: Bei seiner Verrentung bleiben rund 28.000 Euro aus der Zeit zwischen 2005 und 2025 steuerlich unberücksichtigt.
Das AltEinkG erfüllt in der bestehenden Form die Anforderung des BVerfG bezüglich Doppelbesteuerung nicht. Die dadurch realisierte Form der nachgelagerten Besteuerung ist eindeutig verfassungswidrig.
Dass der Gesetzgeber trotzdem eine solche Regelung erlassen hat, lässt sich leicht erklären: Nach deutschem Recht sind Klagen erst dann möglich, wenn Pflichtversicherte als Rentner tatsächlich von dem Doppelbesteuerungsverbot betroffen sind. Das ist allerdings erst in Zukunft der Fall.
6.6 Der anhaltende Nachteil durch verdeckte Besteuerung
Die Diskussion über versicherungsfremde Leistungen, so wie sie von Vertretern der Politik geführt wird, ist nicht frei von Merkwürdigkeiten: Manche behaupten, es gäbe keine allgemein akzeptierte Definition dieser Leistungen – ohne sich selbst darum zu bemühen.
Andere behaupten, die versicherungsfremden Leistungen seien längst durch Bundesmittel gedeckt – was in klarem Widerspruch zu den wenigen veröffentlichten Zahlen steht.
Tatsache ist: Die Höhe der versicherungsfremden Leistungen hängt davon ab, welche Leistungen überhaupt als versicherungsfremd anzusehen sind. Nach einer Bundestagsdrucksache aus dem Jahr 2005 bestehen hier erhebliche Differenzen. Die Angaben liegen zwischen 6 Mrd. Euro und 73 Mrd. Euro pro Jahr. Nach einer Studie der Deutschen Rentenversicherung aus dem Jahr 2012 betrugen die versicherungsfremden Leistungen ca. 71 Mrd. Euro. Der Bundeszuschuss machte im selben Jahr nur rd. 57,3 Mrd. Euro aus.2)Deutsche Rentenversicherung Heft 1, März/April 2012, S. 3. Somit blieben die Beitragszahler auf 13,4 Mrd. Euro sitzen.
Nach einer Definition des VDR von 1977 zählen auch die so genannten Transferleistungen zu den versicherungsfremden Leistungen. Legt man diese Definition zugrunde, dann wurden von Ende der 50er-Jahre bis heute etwa 700 Mrd. Euro Rentenversicherungsbeiträge als Ersatz für Steuermittel missbraucht.3)O. W. Teufel, Versicherungsfremde Leistungen in der Arbeiter- und Angestelltenrentenversicherung, in: Aktion Demokratische Gemeinschaft (Hrg.), November 2009, S. 2. Um eine solche gigantische Zweckentfremdung von Zwangsbeiträgen in Zukunft zu vermeiden, müssten einige wenige konkrete Schritte unternommen werden:
- Leistungen der Rentenversicherung, die als versicherungsfremd angesehen werden können, müssen mit ihrer Höhe jährlich veröffentlicht werden.
- Eine breite Diskussion über den Katalog jener Leistungen, die ohne Zweifel als versicherungsfremd anzusehen sind, muss unter Einschluss der Öffentlichkeit geführt werden.
- Ein verbindlicher Zeitplan für die schrittweise und vollständige Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen muss verbindlich aufgestellt werden.
- Eine Entschädigung der Pflichtversicherten für die zweckentfremdeten Beiträge muss diskutiert werden.
- Die versicherungsfremden Leistungen in der Rentenversicherung sollten durch Steuermittel finanziert werden. Erst durch diese Maßnahme würde die Zweckentfremdung von Beitragsmitteln gestoppt. Erst dann hätte die steuerliche Subventionierung von Beamten, Pensionären und Selbständigen auf Kosten der Pflichtversicherten und Rentner ein Ende.
Fußnoten