Am 6. März 2002 entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), dass Pensionäre gegenüber Rentnern steuerlich benachteiligt würden. Eine Entscheidung des BVerfG – wie fehlerhaft sie auch sein mag – ist Gesetz. Sie kann nur durch das BVerfG selbst geändert oder aufgehoben werden. Gerichte haben allerdings die Möglichkeit gemäß Art 100 Grundgesetz eine neue Entscheidung des BVerfG einzuholen.
Hätten alle Gerichte ein wenig nachgedacht, müssten sie erkannt haben, dass eine Rechtswidrig besteht, die auf einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung und auf einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung beruht. Denn Pflichtversicherte haben bereits in ihrer Aktivzeit steuerlich-finanzielle Nachteile, die in der Entscheidung 2 BvL 17/99 allerdings keine Berücksichtigung fanden: den Progressionsnachteil, den Vorsorgepauschale-Nachteil und den Grundpreis-Nachteil.
Beamte sind von Beiträgen zur Rentenversicherung (RV) und Arbeitslosenversicherung (AlV) befreit. Ein dem Pflichtversicherten äquivalenter Beamter bezieht dessen Lohn abzüglich der Beiträge zur RV und AlV. Dabei verbietet es sich, dem äquivalenten Beamten einen Bruttolohn in gleicher Höhe zuzuweisen, denn dieser würde dann eine gleichhohe steuerliche Entschädigung für seine Beiträge, die so genannte Vorsorgepauschale (VSP), wie der Pflichtversicherte erhalten.
In seiner Aktivzeit entsteht dem Pflichtversicherten gegenüber dem äquivalenten Beamten durch die Entrichtung einer höheren Steuer auf seinen Bruttolohn ein Progressionsnachteil.
Ab 1983 bezogen Beamte die so genannte gekürzte VSP. In allen Jahren vor 1983 bezog ein Beamter also eine gleich-hohe VSP wie ein Pflichtversicherter, obwohl er von Abgaben an die RV und AlV befreit war. In Zahlen: 1982 erhielt ein Beamter wie auch der Pflichtversicherte eine VSP in Höhe von maximal 3.510 DM. Nach Abzug der Anteile für die RV und die AlV von der VSP verblieben dem Pflichtversicherten 1.019 DM, einem Beamten 3.510 DM. Ein Jahr später, 1983, blieben dem Pflichtversicherten unter den gleichen Bedingungen 982 DM, einem Beamten 2.000 DM. Also, auch nach der Kürzung erhielt ein Beamter weiterhin eine höhere VSP als ein Pflichtversicherter.
In seiner Aktivzeit entstand dem Pflichtversicherten gegenüber einem Beamten ein VSP-Nachteil.
Analog zum Grundpreis von Waren kann man bei der Rente fragen, wie hoch die Summe der Beiträge aus versteuertem Lohn für 1.000 Euro der monatlichen Erstrente ist. Hierzu ist die Betrachtung des Verlaufs der VSP notwendig: Die VSP steigt zunächst mit zunehmendem Lohn, erreicht ein Maximum und fällt dann auf einen Grenzwert ab. Der Durchschnittslohn (DL) findet sich etwa bei der Hälfte der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) zur RV. Das Maximum der VSP wird bei ca. der Hälfte des DL erreicht. Es liegt also bei etwa einem Viertel der BBG. Löhne in der Nähe des Maximums bewirken nicht nur eine höhere VSP, sondern auch einen geringeren Beitrag zur RV für eine Erstrente in Höhe von 1.000 Euro. Obwohl also Pflichtversicherte unterschiedlich hohe Beiträge aus versteuertem Einkommen für denselben Rentenanspruch entrichten, wird jeder Renten-Zugangsjahrgang nach der gleichen Systematik besteuert. Das heißt, die Höhe der Besteuerung und der Freibeträge sind für alle Neurentner gleich – ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz.
Ein Pflichtversicherter mit einem Lohn über der BBG zur RV entrichtet gegenüber einem Pflichtversicherten mit etwa ¼ der BBG rund das 20fache an Beiträgen aus versteuertem Einkommen für 1.000 Euro der Erstrente. Es entsteht dem erstgenannten Pflichtversicherten in seiner Aktivzeit auch ein Grundpreis-Nachteil.
Diese drei Nachteile entstehen während der Aktivzeit des Pflichtversicherten. Weder das BVerfG nnoch die Sachverständigenkommission (Link4) haben die Nachteile berücksichtigt. Und ausgeglichen werden sie auch nicht – soweit unser Rechtssystem.